Welchen Stellenwert wird das Themenfeld Nachhaltigkeit bei der zukünftigen strategischen Ausrichtung von Henkel einnehmen?
Das Thema Nachhaltigkeit ist wichtig, auch mir persönlich. Klimawandel, Plastikmüll, nachhaltiger Konsum – all das sind die großen Themen, mit denen nicht nur wir uns als Unternehmen beschäftigen, sondern die auch für viele unserer Stakeholder ganz wichtig sind. Gerade auch für jüngere Generationen. Ich bin davon überzeugt: Nur die Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich vorantreiben, werden langfristig erfolgreich sein. Deswegen ist Nachhaltigkeit auch ein zentrales Element unseres strategischen Rahmens. Es ist ein Wettbewerbsvorteil. Wir haben ein starkes Fundament und eine führende Position. Aber auch hier haben wir den Anspruch, uns weiter zu verbessern.
Auf welchen Erfolgen der Vergangenheit lässt sich dabei aufbauen, und wobei sehen Sie Steigerungspotentiale für die Zukunft?
Wir treiben das Thema schon seit Jahrzehnten voran – nicht erst, seitdem es ein „Trend“ ist. Mit unserer langen Tradition als Familienunternehmen ist das Handeln mit Blick auf die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen sozusagen Teil unserer DNA. Nachhaltigkeit ist einer unserer fünf Unternehmenswerte und wir verfolgen eine langfristige Nachhaltigkeits-Strategie mit konkreten, ambitionierten Zielen. Wir haben schon viel erreicht, bei den verschiedensten Themen wie Ressourceneffizienz, nachhaltige Beschaffung oder Kreislaufwirtschaft. Doch es gibt auch in Zukunft viel zu tun. Deshalb haben wir ambitionierte Ziele.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Henkel hat gegenüber 2010 seine CO2-Emissionen pro Tonne Produkt um rund ein Drittel reduziert. Das ist ein guter Fortschritt, aber gleichzeitig nur eine Etappe zu einem noch größeren Ziel: Bis 2040 wollen wir ein klimapositives Unternehmen werden.
Was verstehen Sie unter „klimapositiv“?
Wir wollen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Deshalb gehen wir einen deutlichen Schritt über „klimaneutral“ hin- aus. Wir setzen bei unserer eigenen Produktion an. Bis 2025 senken wir den CO2-Fußabdruck unserer Produktion um 65 Prozent. Hier geht es um Energieeffizienz und die Umstellung auf erneuerbare Energien. Gleichzeitig wollen wir den von uns genutzten Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen. Bis 2040 werden alle verbleibenden fossilen Brennstoffe, die in der Produktion ein- gesetzt werden, auf klimaneutrale Alternativen umgestellt. Und überschüssige klimaneutrale Energie wird an Dritte geliefert. Außerdem wollen wir durch unsere Marken und Technologien Kunden, Verbraucher und Lieferanten dabei unterstützen, bis 2025 ins- gesamt 100 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Zum Beispiel durch Technologien für eine verbesserte Gebäudedämmung oder Produkte, die bei der Anwendung weniger Wasser und Energie benötigen.
Laut einem Zitat zu Ihrem Amtsantritt als CEO lautet Ihr Motto: „Wenn ich etwas mache, dann richtig.“ Wie lässt sich das auf Nachhaltigkeit beziehen?
Ich denke, so sehen wir das alle hier bei Henkel. Auch beim Thema Nachhaltigkeit. Denn gerade hier kommt es darauf an, konsequent, strategisch und ganzheitlich zu handeln. Sich ambitionierte Ziele zu setzen, diese dann engagiert umzusetzen und trans- parent über die Fortschritte zu berichten. Es darf nicht nur um wenige Leuchtturmprojekte gehen, sondern darum, im gesamten Unternehmen und in allen Prozessen entlang der Wertschöpfungskette das Thema voran- zutreiben.
Viele Unternehmen scheinen zwanghaft an rein auf Effizienz- und Profitmaximierung ausgerichteten Strategien festzuhalten. Sie haben kürzlich erläutert, dass sich diese Fokussierung nicht mehr positiv auf die Unternehmen auswirkt.
Ich bin davon überzeugt, dass die alleinige Fokussierung auf Effizienz langfristig nicht zu nachhaltigem Erfolg führt. Bei Henkel haben wir aus heutiger Sicht den Fokus mehr auf Effizienz als auf die Stärkung der Wachstumsdynamik gesetzt. Das ändern wir mit unserer neuen strategischen Ausrichtung. Dabei ist aber auch klar: Wenn wir schneller wachsen wollen als die Märkte, die Themen Innovation und Digitalisierung im Unternehmen und bei unseren Marken und Produkten vorantreiben, braucht das zunächst Investitionen. In diesem Jahr wollen wir 350 Millionen Euro mehr als im Jahr 2018 investieren. In unsere Marken, in Innovationen und Digitalisierung.
Wie definieren Sie in diesem Zusammenhang nachhaltiges Wachstum?
Unser Fokus liegt auf ganzheitlichem Wachstum oder „Purposeful Growth“. Das bedeutet, dass wir Werte für unsere Kunden und Konsumenten schaffen wollen, das Wachstum unserer Märkte übertreffen, unsere führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit stärken und unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich bei Henkel beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. Wir wollen in allen diesen Dimensionen erfolgreich sein. Das ist unser Verständnis von ganzheitlichem Wachstum.
Wenn Sie Nachhaltigkeit in all Ihren Aktivitäten verankern und sicherstellen, dass sie eine zentrale Säule in den Innovationsstrategien aller Unternehmensbereiche ist, wird dies sicherlich mit erheblichen Veränderungen für zentrale Stakeholder einhergehen. Wie wollen Sie die Akzeptanz sicherstellen?
Für uns – und auch für unsere Stakeholder – ist Nachhaltigkeit kein neues Thema. Aber es gewinnt stärker an Bedeutung, als wir uns das noch vor wenigen Jahren haben vorstellen können. Davon nehme ich mich nicht aus. Als Voraussetzung dafür, dass wir unser ambitioniertes Ziel erreichen, müssen alle verstehen, dass Nachhaltigkeit kein „Add on“ ist, kein Zusatz oder ein „Feigenblatt“ im ansonsten wenig nachhaltigen Portfolio. Nachhaltigkeit muss ein Treiber von Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung sein. Mit unseren Produkten und Technologien helfen wir beispielsweise unseren Kunden, Nachhaltigkeit voranzutreiben und sich auf Marktveränderungen einzustellen. Zum Beispiel können wir mit unseren Technologien Kunden aus der Automobilindustrie bei der Entwicklung von wichtigen Zukunftstrends wie E-Mobilität oder Leichtbau unterstützen. Und für die Verpackungsindustrie spielen unsere Lösungen auch eine entscheidende Rolle – zum Schutz wertvoller Lebensmittel sowie für die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, in der Verpackungen wiederverwendet oder verwertet werden können.
In der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien stoßen viele Unternehmen auf massive Implementierungsprobleme. Wie möchten Sie bei Henkel vorgehen?
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung sind eine klare Strategie, konkrete Ziele und ein durchdachter Plan, wie diese erreicht werden sollen. Wenn wir Nachhaltigkeit also in den Innovationsstratgien unserer Unternehmensbereiche etablieren, wird das Thema vonAnfang an mitgedacht.Jedes neue Produkt, das auf den Markt kommt, muss in mindestens einer Nachhaltigkeitsdimension entlang der Wertschöpfungskette – also zum Beispiel bei den Rohstoffen oder in der Anwendungsphase – eine klare Verbesserung bieten. Darüber hinaus haben wir bei Henkel ein zentrales Steuerungs- und Entscheidungsgremium für unsere globalen Nachhaltigkeitsaktivitäten. In diesem Sustainability Council sind Mitglieder aller Unternehmensbereiche und Konzernfunktionen vertreten. Eine ganz entscheidende Rolle haben aber unsere Mitarbeiter: Bei der Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsstrategie machen sie den Unterschied aus – durch ihren persönlichen Einsatz, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen. Sie bringen sich aktiv darin ein, dass unsere Marken und Technologien wesentliche positive Beiträge zu ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen leisten. Sie sind die Schnittstelle zu unseren Kunden und Verbrauchern. Sie sind in Bereichen wie Einkauf, Produktion und Marketing tätig und wirken damit entlang unserer Wertschöpfungskette in Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Jeder einzelne von ihnen ist ein Botschafter für mehr Nachhaltigkeit.
Mit seinen Produkten und Verpackungen tragen auch Unternehmen wie Henkel zu der Problematik der Plastik- und Mikroplastikverschmutzung bei. Wie passt das zu Ihrem Bekenntnis zu Nachhaltigkeit?
Tatsächlich stehen die Themen Verpackungen und Mikroplastik ganz oben auf unserer Agenda. Wir setzen uns dafür ein, dass durch unsere Konsumentenprodukte kein Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Konkret heißt das: In unseren Kosmetikprodukten sowie Wasch- und Reinigungsmitteln setzen wir weltweit keine sogenannten „Microbeads“ ein, die früher als Peeling- oder Schleifpartikel in einzelnen Produkten enthalten waren. Diese Initiative haben wir bereits 2014 für alle neu eingeführten Kosmetikprodukte in Europa gestartet und bis 2016 weltweit umgesetzt. In einem zweiten Schritt haben wir begonnen, auf feste synthetische Kunststoffe zu verzichten.
Und wie sieht es beim Thema Plastikverpackungen aus?
Auch hier verfolgen wir ambitionierte Ziele. Bis 2025 werden alle Konsumentenverpackungen recycelbar oder wiederverwendbar sein. Wir wollen die Menge an neuen fossilen Kunststoffen um 50 Prozent reduzieren. Indem wir mehr wiederverwertetes Plastik nutzen und das Plastikvolumen reduzieren. Auch biobasierte Kunststoffe sind ein wichtiges Thema. Es geht darum, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Denn Plastik allein ist nicht das Problem. Es bietet gegenüber anderen Verpackungsmaterialien viele Vorteile und ist in der Gesamtbetrachtung oft die nachhaltigere Lösung. Das Problem liegt im Umgang mit dem Abfall, vor allem in Regionen der Welt, in denen es keine Recyclinginfrastruktur gibt. Die Bilder von Plastikmüll in den Meeren und der Umwelt kennen wir und berühren uns alle. Das ist eine der größten globalen Herausforderungen. Das müssen und werden wir ändern! Aber das geht nur gemeinsam mit Partnern.
Gerade jüngere Generationen suchen Hoffnungsschimmer und Gründe, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Viele treibt dabei die Frage um, ob es gelingen kann, dass Unternehmen sich vom Teil des Problems zum Teil der Lösung zentraler Probleme wie dem Klimawandel entwickeln werden.
Ich bin Vater von zwei Kindern und ich frage mich auch, welche Welt wir der nächsten Generation übergeben. Und welchen Einfluss ich darauf nehmen kann. Daher finde ich es gut und wichtig, dass sich immer mehr Menschen damit auseinandersetzen, was wir gegen den Klimawandel und für mehr Nachhaltigkeit machen können. Und dann auch kritisch hinterfragen, ob das, was wir tun, ausreicht. Jeder Einzelne für sich, als Unternehmen, aber auch als Gesellschaft. Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam Fortschritte erreichen können. Wir wollen zu einer positiven und nachhaltigen Zukunft für nachfolgende Generationen und zum Schutz unseres Planeten beitragen. Und wir wollen auch die nächste Generation für uns gewinnen. Denn um die Aufgaben, die vor uns liegen, erfolgreich anzugehen, brauchen wir die besten Talente – von Produktentwicklern und Ingenieuren bis hin zu Marketing- und Digital-Experten.